Die Schüler Johann Sebastian Bachs

B-A-C-H, ein interessantes Thema

Wer kennt ihn nicht, den Teil 20 aus der "Kunst der Fuge", BWV 1080, die "Fuga a 3 Soggetti" von JS Bach, in der als drittes Subjekt das Thema "B-A-C-H" in Takt 193 im Tenor eingeführt wird. Leider bricht das Autograph in Takt 240 ab, aus welchen Gründen auch immer, und stellt die Nachwelt vor Rätsel, wie "ist das die Abschlussfuge a 4 soggetti (das Hauptthema der KdF ist dort gut montierbar), gehört diese Fuge überhaupt in dieses Werk, uvam"? All diese Fragen werden mit Sicherheit hier nicht behandelt.

Dass JS Bach und weitere Komponisten dieses Namens dazu "verführt" werden konnten, ihren Namen musikalisch auszudrücken,darf nicht verwundern. Auch JS Bach hat das schon früher getan, Beispiel das Schlussstück der "Englischen Suiten", einer Gigue in d-moll. Dort tritt in Takt 43 pointiert und unüberhörbar "B-A-C-H" als Thema auf, sozusagen als Verfasserunterschrift. Auch die Fugen über "B-A-C-H", welche unter dem Namen "Bach" kursieren (welcher "Bach" auch immer diese komponiert hat) zeugen davon. Dass weitere Schüler Bachs die Tonfolge "b-a-c-h" eingesetzt haben zeigt deutlich JL Krebs mit seiner Orgelfuge oder in der Sarabande aus dem "2. Teil der Clavierübung" über dieses Thema. Auch Zeitgenossen Bachs haben sich dem nicht versagt, er war zu seiner Zeit doch wohl der berühmteste, bedeutendste Orgelspieler/komponist. Als Beispiel hierfür sei  Georg Andreas Sorge (1703 - 1778) mit seinen Fugen über dieses Motiv angeführt. Auch Johann Peter Kellner sei hier genannt.

Selbst bis in "katholischen" Süden war Bachs Ruf etwas später gedrungen, die Werke Albrechtsbergers und Knechts zeigen dies.

Auf einem anderen Blatt stehen jedoch die "b-a-c-h"-Zitate späterer Zeit. Hier sollte von Fall zu Fall geprüft werden, welchem "Bach" sie als Verehrung/Danksagung gegolten haben. In den Fällen Krohn und Zinck war damit sicherlich CPEB gemeint, wie aus den Vorreden deutlich zu entnehmen ist (s.o.).

Daneben gibt es jedoch noch eine Vielzahl von "b-a-c-h - Verwendungen", deren Verfasser zweifelhaft, schlecht belegt, also mehr oder weniger unglaubwürdig sind. Ein typischer Fall hierfür sei aufgezeigt: der Fall "Johann Christian Kuntze - Adolph Carl Kunzen - Tauscher". Die Beteiligten:

- JC Kuntze: Gerber/Mendel kennen ihn nicht. Eitner hingegen berichtet von sechs Fugen über "b-a-c-h" für Tastenistrument, auf Veranlassung eines "Ad. Tauscher" komponiert. RISM hingegen führt eine große Zahl von Werken unter JC Kuntze an, viele Fugen unter astronomisch-hohen Opuszahlen (z. B. op.397,4), aber auch viele Violinsonaten. Zwei CD´s mit Orgelwerken aus der Zeit über "b-a-c-h" gibt zumindest die Lebensdaten Kuntzes an (1747 - 1821) und seinen Beruf: Landwirt! (woher haben die das alles?). Na, das muss wohl ein hyper-fortschrittlicher Landwirt gewesen sein, mit vollautomatisierter Melkanlage und modernstem Maschinenpark, der so viel Zeit hatte um unzählige Musikwerke zu schreiben! Übrigens, das Internet gibt nach Eingabe von "Johann Christian Kuntze, 1747 - 1821, Grumbach, Gerichtsschöffe" keinerlei Hinweis!

- Adolph Carl Kunzen: bekannt, geboren 1720 in Wittenberg, gestorben1781 in Lübeck, Sohn des Johann Paul Kunzen, zuletzt Organist an St. Marien in Lübeck, Er wurde 1757 Nachfolger seines Vaters in Lübeck. Eine gößere Anzahl seiner Werke sind erhalten, darunter auch Clavierwerke. In dem " Rinck-, Fischer-, Mendelssohn-Bartholdy-Album" aus dem Körnerverlag steht auf Seite 58 ein Vorspiel in C-Dur über "b-a-c-h", eingereicht durch "Herr. Dr. Naue in Halle", mit korrekten Lebensdaten.RISM hingegen bucht dieses Stück (wohl der Einfachheit halber) gleich unter Johann Christian Kuntze ab. Erstaunlicherweise reicht jener Dr. Naue ein weiteres Werk, Fuge in C-dur, in einem anderen gedruckten Körner-Orgelband unter dem Namen "Adolph Carl Kunzen" ein. RISM-OPAC macht daraus gleich "op. 395,1" des Johann Christian Kuntze!! War jener Dr. Naue geistig etwas verwirrt? Kannte er den bedeutenden Landwirt und Komponisten JC Kuntze überhaupt nicht?  Immerhin war jener Dr. Naue ein Türckschüler, Universitätsmusikdirektor und Organist an St. Marien in Halle und ein eifriger Sammler "alter Noten/Musikalien", also vom Fach. Tja, was soll man von diesem "Hokuspokus" halten?

- Tauscher: nun wird es schwieriger, denn es gibt zwei Vornamensvarianten: "J.G." bei Gerber/Mendel, Gerichtsdirektor zu Waldenburg, dort 1787 gestorben, Verfasser einer Abhandlung über Orgeldispositionen; oder: "H.W.", folgt man dem "Orgeljournal", 1. Band, erschienen bei Heckel/Mannheim. Dort sind drei Stücke von HW Tauscher abgedruckt:: 1 Vorspiel über "Jesu meine Freude", auf 2 Manualen und Pedal, 1 "Vivace" manualiter (kann man gleich vergessen), und, wen wundert es? Eine intrikate, 5-stimmige Fuge (mit Pedal) über....."b-a-c-h". In der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. muss es wohl sehr unterbeschäftigte Berufsgruppen wie Landwirte, Juristen gegeben haben, die ausgiebig Zeit hatten, sich der Komposition zu widmen.

Nun kann man, fantasiebegabt wie Geisteswissenschaftler, weitere Hypothesen aufstellen, wie:

- den J.C. Kuntze hat es nicht gegeben, zumindest nicht als Komponisten. Der Name wurde von Tauscher als "Deckadresse" eingeführt, da ein sächsischer Gerichtsdirektor nicht öffentlich komponiert. Ein ähnliches Beispiel findet man bei dem Hofjuristen J.O. Uhde in Berlin.  Dieser bevorzugte jedoch die Anonymität. Tauscher, als gebildeter Bewohner Sachsens hatte mit Sicherheit Gelegenheiten, Werke von JS Bach kennen und schätzen zu lernen. Hat er etwa Jura in Leipzig studiert? Es würde zeitlich gesehen gut passen. Dass er komponierte, zeigen die Werke unter seinem Namen im "Orgeljournal" (erst nach seinem Tod 1787 erschienen). Dort finden wir dann auch, rein zufällig natürlich, eine intrikate Fuge über b-a-c-h.

- Misstrauisch stimmt hingegen, dass sich die Tasteninstrumenthandschriften namens "JC Kuntze" mehrheitlich in der Bibliothek der Universität Hamburg befinden. Könnte es sein, dass sich dort ein Lese/Schreibfehler eingeschlichen hat? Dass der Komponist dieser Werke ein "Kunzen" war, beide in Lübeck tätig, jedoch aus Mitteldeutschland stammend? Fähigkeiten, Anlässe dafür hatten Kunzen-Vater/Sohn mit Sicherheit.

- Eine weitere Hypothese wäre: es gab zwei Tauschers: "JG", Gerichtsdirektor, gestorben 1787 in Waldenburg, und: "HW", möglicherweise Vater - Sohn oder verwandt. Das "Biographical Dictionary of the Organ" gibt einen HW Tauscher, Deutscher, 1760 - 1843 an (woher stammen diese Daten?). Weitere Angaben über diesen sind weder im Internet, noch in einem Musiklexicon, gleich aus welcher Zeit zu finden. Selbst Eitner kennt ihn nicht, und der hat bekanntlich die "musikalischen Flöhe" husten gehört. Selbiges gilt für RISM-OPAC. War er zufälligerweise auch Gerichtsdirektor oder komponierender Organist? Falls ja, wo? Einfacher wird die Angelegenheit dadurch nicht, denn, war er kein Jurist, stimmt die handschriftliche Angabe auf den Werken jenes "JC. Kuntze" - auf Veranlassung des Ad. Tauscher - nicht. War es der Jurist Tauscher, ist die Wahrscheinlichkeit, dass JC Kuntze ihm diese Werke gewidmet hat äusserst gering.

Eine Kuriosität am Rande: wer kennt Bernhard Christian Weber (1712 - 1758), und sein "Wohltemperiertes Clavier" mit identischem Titel und Vorwort wie das Bachsche? Dieser, ab 1732 Organist an der Stadtkirche Tennstedt in Thüringen, hat wohl über GH Noah, ehemaliger Student in Leipzig ein Exemplar des WT von JS Bach erhalten und es zum Vorbild für sein Werk gemacht, welches hauptsächlich für Orgel mit Pedal komponiert wurde. Die dortige Fuge in g-moll zitiert "b-a-c-h" als Thema. Weber wird ein weiteres Kapitel hier gewidmet.