Die Schüler Johann Sebastian Bachs

Christoph Transchel

Dank des sehr informativen Artikels von Bernd Koska (Bach Archiv Leipzig) "Bachs Privatschüler" - Bach Jahrbuch 2019 - wird man schlauer. Dort werden unter der Kategorie A - Gesicherte Schüler - immerhin 61 Schüler aufgeführt. Unter A 50 kommt Christoph Transchel an die Reihe. Bekannt? Nein! Irgendwo hatte ich den Namen einmal gelesen, ohne weitere Folgen. Also, ab in die bekannten Musiklexika, MGG und Grove. Leider, wie schon öfters passiert, herrscht da völlige Fehlanzeige. Hingegen wird man bei Gerber 1792 und Mendel/Reissmann fündig.

Transchel, 1721 geboren, war ab 1742 als Student in Leipzig immatrikuliert und wurde Schüler Bachs. Dort blieb er bis 1755, um danach als Kavierlehrer nach Dresden zu ziehen, wo er 1800 als hochgeachteter Interpret/Lehrer starb. Er soll eine ansehnliche Musikaliensammlung besessen haben (deren Inhalt leider nicht überliefert ist). Da Transchel sich weigerte seine Kompositionen drucken zu lassen, ist nur sehr wenig greifbar. Mendel berichtet von 3 Klaviersonaten und einigen Menuette/Polonaisen. Eine Suche im Internet war hingegen erforgreich. Das schwedische "Alvin-Portal" hat drei "Sonatas a Cembalo di Transchel" abrufbar veröffentlicht. Die werden nun hier vorgestellt.

Das Digitalisat aus Schweden umfasst drei Stücke:

- Sonata, Es-Dur; Allegro, Menuet 1,2, Allegretto, Polacca

- Partita, D-Dur; Allegro, Andante, Vivace, Polonoise

- Partita,G-Dur; Allegro di molto, Menuet 1,2, Polonoise, Bouree 1,2, Aria/Allegro

Nach erstem Durchlesen/spielen dieser Werke stellt sich sofort die Frage: für wen wurden diese Werke komponiert? Transchel bestritt seinen Lebensunterhalt als Klavierlehrer, also könnten diese Werke für Schüler komponiert worden sein. Da er es offensichtlich nicht nötig hatte durch Drucke/Veröffentlichungen sein Einkommen zu verbessern, fällt diese Erklärung aus. Kompositionen für Freunde/Liebhaber/ private Konzerte? Das wäre eine weitere Erklärung. Es ist mir klar, dass derartige Fragestellungen in gewissen Musikerkreisen auf keine Gegenliebe stoßen, da ja bekanntlich musikalische Einfälle vom Himmel fallen ("Mozart? Nicht von dieser Welt" ;) ;)).

Anhand der geringen Anzahl an (derzeit) überlieferten Werken ist es schwierig darüber Aussagen zu tätigen. Offensichtlich sind die Sonate in Es und die Partita in D für Schüler geschrieben. Sie sind technisch/musikalisch einfacher zu bewältigen, obwohl das Menuet II der Sonate in Es in es-moll steht und musikalisch sehr "bachisch" ist. Im Gegensatz dazu steht die Partita in G. Das Allegro di molto (mit zwei Kadenzfermaten) und die Polonoise verlangen geübte Spieler. Der in dem Manuskript dazugehörende Schlusssatz "Aria/Allegro" steht in D-Dur. Ob  der wirklich zu der Partita gehört wage ich anzuzweifeln. Irgendwie passt der nicht dazu.

Die Bach Jahrbücher informieren bekanntlich immer sehr gut. Diesesmal ist das Jahrbuch 2023 dran, der Artikel von Prof. Peter Wollny "Neuerkenntnisse zu einigen Bach-Kopisten der 1740er Jahre". (Vielen Dank, lieber Professor Wollny). Dort gibt es von Seite 83 bis 90 neue Informationen über Transchel, die bislang nicht bekannt waren. Leider kennt Prof. Wollny auch nur die drei Sonaten/Partiten aus der Sammlung der Universität Lund ind Schweden. Ich habe sie kopiert um sie zu spielen. Dabei fällt dann doch Einiges auf:

- der "normal"-spielende Liebhaber schafft die ohne Üben nicht. Transchels Klavierstil ähnelt, vor allem in den Einletungssätzen doch etwas dem Klavierstil Goldbergs. Rauschende Läufe (32tel), überschlagende Hände und weitere "Nickeligkeiten" (wie ein polyphones Menuett in es-moll). Auch die Polonoise hat es in sich. Ein Blick auf die 24 Polonaisen Goldbergs lohnt sich da.

- Könnte es sein, dass Transchel diese Werke in seiner Anfangszeit in Dresden komponiert hat? Dort lebte auch bis 1759 Goldberg, der ja auch ein später Bachschüler war. Die Wahrscheinlichkeit, dass beide sich kannten dürfte relativ groß sein.

 

Fazit: eine lohnende Neuentdeckung.