Die Schüler Johann Sebastian Bachs

Friedrich Wilhelm Rust

FW Rust war kein direkter Bach Schüler, hatte aber trotzdem eine erlauchte Lehrergalerie. Zuerst war es sein älterer Bruder Johann Ludwig, der Mitte der 1740er Jahre in Leipzig studierte und Bachs Unterricht genoss. Nach Dessau zurückgekehrt, unterrichtete er seinen Bruder FW Rust im Violin - und Klavierspiel vornehmlich mit Bachschen Werken. FW Rust soll schon in jungen Jahren das WTC perfekt gespielt haben. Danach besuchte FW Rust die Universität Halle und wurde dort Schüler und "Sekretär" Friedemann Bachs. Nach Hause zurückgekehrt, unterrichtete ihn Gottlieb Friedrich Müller, der wiederum Schüler JG Goldbergs war. Zur Abrundung seines musikalischen Wissens begab er sich noch zu CPE Bach nach Berlin und auch zu Tartini nach Italien. Er starb 1796 als Hofkapellmeister zu Dessau.

Auf einen seiner Söhne, auch ein begnadeter Klavierspieler kommen wir noch zu sprechen. Sein Enkelsohn Wilhelm Rust war wiederum einer der Herausgeber der alten Bachausgabe und hat, zwar in guter Absicht, seinem Grossvater enormen Schaden zugefügt.

Wozu das Ganze, fragen Sie sich lieber Leser. Sehr einfach, lautet die Antwort, FW Rust war nämlich auch Komponist, vor allem für Klavier. 1996 erschienen auf CD 12 Klaviersonaten Rusts. Als neugieriger "Bachanhänger" kauft man so etwas, da Rust im Dunstkreis Bachscher Musik liegt. Im Allgemeinen ist die Erwartung in solchen Fällen nicht allzu hoch: das übliche, etwas larmoyante, empfindsame Gespiele der Zeit, geschmackvoll aber harmlos. Hier jedoch schon während der ersten Sonate kommt die Idee auf, daß Rust ein hochbegabter, völlig außenstehender Komponist ist. Er schreibt, auf solider JS Bach und CPE Bach - Basis völlig an Mozart und größtenteils auch an Haydn vorbei und "Gemahnt schon an Beethoven", wie eingangs erwähnt, so treffend behauptet wurde. Nur: bei seinem Tode 1796 hatte Beethoven so richtig das Komponieren noch nicht angefangen - "Churfürstensonaten" usw. Hier jedoch liegt eine Musik vor, die Beethoven erst ab 1805 ff schreiben wird.

In diesem Fall jedoch riss mein Geduldsfaden mit o.a. "gemahnt schon- These". Ein nicht sehr aufwendige Recherche ergab nämlich, dass ein Sohn Rusts Anfang des 19 Jhdts. nach Wien kam. Er wurde Beethoven vorgestellt. Dieser war von dessen "Bachspiel" begeistert und empfahl ihn wärmstens als Clavierlehrer in der Wiener Musikwelt. Wer jetzt glauben sollte, dass Sohn Rust nur Johann Sebastian vorgespielt habe, ist taub oder gibt sich Selbsttäuschungen hin, die eine oder andere Sonate des Vaters wird schon dabei gewesen sein.

Erstaunlicherweise ist dies alles schon vor ca. 120 Jahren diskutiert worden. Vielleicht war die Zeit noch nicht reif dafür. Hinzu kam, dass FW Rusts Enkel, Wilhelm Rust, Thomaskantor und Mitherausgeber der alten Bachausgabe sich dieser Sache annahm. Er gab etliche Klaviersonaten seines Grossvaters heraus und "verbesserte" sie im Stile Beethovens, um dann der staunenden Musikwelt einen "genialen" Vorläufer zu präsentieren. Der Schwindel kam schnell heraus, das Projekt war hiermit völlig diskreditiert - Wilhelm habe sich aus Geltungssucht einen bedeutenden Grossvater zugelegt. Fast gleichzeitig gab Vincent d´Indy in Frankreich 12 Klaviersonaten Rusts ziemlich korrekt heraus. Dies wird wohl für das ""teutsche" Gemüt zu viel gewesen sein, eine korrekte Ausgabe und dann noch vom "Erbfeind"! FW Rust verschwand bis heute von der Bild - und Hörfläche.

Leider ist derzeit von Rusts Clavierkompositionen keine neuere Ausgabe greifbar. Mit etwas Geduld und Glück kommt man jedoch noch an die von Vincent d´Indy heran. Die Mühe wird üppig belohnt.

D´Indy ordnet seine Ausgabe streng chronologisch, d.h. nach dem Entstehungsjahr der Sonaten. Die erste Sonate (in F-Dur) stammt aus dem Jahr 1765, und trägt den Titel "Sonata per il Clavicembalo, con variate repetizione", also "Sonate mit veränderten Reprisen", kennen wir das nicht schon?

Die letzte dort veröffentlichte Sonate (in D-Dur) stammt hingegen aus dem Jahr 1794, so dass ein guter Überblick über Rusts Sonatenschaffen und seiner möglichen Entwicklung gegeben wird.

Gleich vorweg: Rusts Sonaten stellen an die Liebhaber technische wie interpretatorische Ansprüche. Es muss geübt und nachgedacht werden. Stilistisch, und damit interpretatorisch sind seine früheren Sonaten recht eng an CPE Bach angelehnt, und somit auch mit diesem Wissensfundus zu bewältigen. Nur, Rust verlässt relativ schnell diese Bahn und beschreitet sehr eigene Wege. Mit Kenntnissen/Techniken zur Bewältigung von Haydn/Mozartsonaten kommt man da auch nicht weiter, es verbleibt Beethoven. Aber davon später.