Die Schüler Johann Sebastian Bachs

Johann Christoph Friedrich Bach

JCF Bach hat allem Anschein nach ein ruhiges Leben geliebt und auch geführt. 1732 in Leipzig geboren, mit 18 Jahren als Hofmusiker bei dem Duodezfürsten in Bückeburg angestellt, machte er dort seine Karriere bis zum Kapellmeister und starb 1795. Seine musikalischen Fähigkeiten hat er ausschließlich bei seinem Vater erworben. Seine Brüder behaupteten von ihm, dass er die Werke des Vaters am "fertigsten" ausführen könne. Er muss also ein herausragender Clavierspieler gewesen sein.

Während Friedemann und Carl Philipp berühmt wurden (wer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von "Bach" sprach, meinte Carl Philipp!), geriet dieser Bach schon zu seinen Lebzeiten nicht gerade in Vergessenheit, aber rangierte doch in der zweiten Reihe. Das mag einerseits an der Abgelegenheit des Bückeburgers Hofes gelegen haben, andrerseits hatte er auch Pech. Wie aus seinen Lebensdaten leicht zu entnehmen, überlebte er Mozart und starb in Haydns später Schaffensperiode. Dagegen "anzukomponieren" war auch in Norddeutschland ab 1785 schwierig. Er hat versucht, sich stilistisch den beiden anzunähern (ein Besuch bei seinem Bruder Christian in London wird ihm dabei geholfen haben), richtig gelungen ist ihm dieses jedoch nicht. Er war eben kein Genie, sondern "nur" ein vorzüglicher Musiker. Selbst die Werke Carl Philipps wurden zunehmend schlechter verkauft. Der norddeutsche "Clavierstil" nähert sich seinem Ende, um schließlich von der Wiener Klassik überrollt zu werden.

Diese Tatsachen sollten jedoch niemand daran hindern, sich mit dem Klavierwerk Johann Christophs zu beschäftigen, es gibt genug lohnendes zu entdecken.

JCF Bachs Klavierwerke

  • 2 Sonaten in F, C (Musikalisches Vielerley 1770),
  • 6 leichte Klaviersonaten, 1785,
  • 3 Sonaten und 1 Sonatine, 1787/88, aus den musik. Nebenstunden
  • 3 leichte Sonaten, 1789, kein Neudruck vorhanden,
  • 6 Klaviersonaten, nach 1785,
  • 3 Klaviersonaten, 1785 - 1789,
  • 2 Sonaten vierhändig, 1786, 1791,
  • Variationen "Ah vous, dirai-je Maman, 1785-1790,
  • Musikalische Nebenstunden , 1787,
  • Fuge in F,
  • Einige kleine Klavierstücke (Jugendwerke) befinden sich in einem kleinen Klavierbuch.

Die meisten der erhaltenen Klavierwerke sind aus JCF Bachs späterer Zeit, mit Ausnahme der Sonaten aus dem "Vielerley". Diese sind vor seiner Londoner Reise entstanden und vertreten folglich noch den "norddeutschen" Klavierstil. Die Sonate in F ist besonders instruktiv. Der erste Satz, ein Allegro maestoso, wird mit vollgriffigen "Orchesterschlägen" eröffnet, um sofort danach das Hauptthema einzuführen. Oktavierte Triolengänge beenden die Exposition. Mit 60 Takten Durchführung gehört diese zu de weitläufigsten der Epoche: es wird alles aufgeboten was zu einer großen Durchführung gehört, harmonische Abweichungen, Passagenwerk, dramatische Zuspitzungen. Der langsame Satz, Andante innocentamente, ist nicht so "unschuldig" wie die Bezeichnung angibt. Er steht in f-moll, und hinterlässt zu Beginn den Eindruck eines typisch "norddeutschen" langsamen Satzes. Aber halt: in der Mitte des Satzes geht es unerwartet in ein Fortissimo über, wieder mit "Orchesterschlägen",

wie überhaupt der Satz im "forte" ziemlich böse endet. Der Schlusssatz, ein "Allegretto", stellt pianistische Ansprüche, ist jedoch eine musikalische Meisterleistung. Die Sonate ist im "Vielerley" - von Philipp Emanuel herausgegeben - gedruckt. Wollte JCF Bach der musikalischen Welt zeigen, "ich kann es auch"? Wenn ja, ist es ihm vorzüglich gelungen.

Die "Sechs leichte Sonaten fürs Clavier oder Pianoforte" werden 1785 in Leipzig gedruckt. Sie wurden nach JCF Bachs Besuch bei seinem Bruder in London komponiert. Johann Christians Einfluss ist denn auch sofort zu hören: sangliche Melodien, Vermeidung von harmonischen Härten und die ersten "Albertibässe" tauchen auf, die sonst bei den "Norddeutschen" streng verpönt waren. Aus JCF Bachs Korrespondenz mit dem Leipziger Verleger ist zu entnehmen, dass es mit der Pränumeration nicht so klappte wie erhofft; die Anzahl der Exemplare musste zurückgenommen werden. JCF Bachs muss wohl gewusst haben, dass es mit der norddeutschen Sonate angesichts der Wiener Konkurrenz bergab ging. Er hat versucht sich anzupassen. Herausgekommen sind schöne Werke, manchmal etwas harmlos aber gut zu spielen. Besonders ragt die Sonate in E heraus, sie ist recht frei von Christians Einfluss. Dies wird im Mittelsatz sehr deutlich. Er ist noch nach der "alten" Schule konzipiert;

harmonische Schärfen, ja selbst Polyphonie tauchen auf. Gleiches gilt auch für den Mittelsatz der Sonate in A.

Eine deutlich stärkere Hinwendung zum "Wiener" Stil zeigen weitere sechs Sonaten, auch um 1785 komponiert. Sie sind für Liebhaber geschrieben, folglich sind größere technische Probleme ausgespart. Schon der erste Satz der Sonate in D zeigt, wohin die Reise geht: eben nach Süddeutschland. Das Hauptthema und dessen Weiterführung hätte 20 Jahre früher kein Norddeutscher gewagt zu schreiben.

Ausnahmslos alle sechs Sonaten sind in diesem Stil gehalten. Auch schliesst jede Sonate mit einem Rondo. Sie sind eine dankbare Abwechslung für Spieler; manches überragt den frühen Haydn und Mozart.

Ein Gegenpart zu o.a. leichteren Sonaten stellt eine Sammlung von sechs Sonaten dar, wahrscheinlich für Sarah Itzig-Levy in Berlin geschrieben. Leider sind nur zwei Sonaten erhalten, in F und Es. Sie sind technisch gesehen anspruchsvoller, der "Wiener" touch ist jedoch zurück genommen. Die ersten Sätze beider Sonaten haben einen recht "orchestralen" Charakter. Auch wird ein zweites Thema eingeführt und auch verarbeitet. Hingegen sind die langsamen Sätze wieder norddeutsch: das Berliner Publikum goutierte es wohl noch sehr.

1789 veröffentlichte JCFB bei Bösendahl/Rinteln "Drey Leichte Sonaten fürs Klavier oder Piano Forte", leider mit einer recht mageren Subskribentenliste. Bei größerem Zuspruch wären es wohl sechs geworden. Ulrich Leisinger, der diese Sonaten näher betrachtet hat, kommt zu dem Ergebnis, dass diese sehr hochwertigen Sonaten mit z.B. Mozarts "Sonata facile" durchaus ebenbürtig sind. Aus meiner Sicht urteilt er sehr höflich: dem Klavierschüler, der nach vier Seiten Andante (bei Einhaltung der Wiederholungszeichen werden es acht Seiten) Albertigedudel in der linken Hand diese Noten nicht an die Wand knallt, ist nicht mehr zu helfen, Mozart rauf oder runter! Ich habe es getan. Im Gegensatz dazu betrachte man die langsamen Sätze aus den JCFB-Sonaten. Die stilistischen Veränderungen zu den o.a. sechs Sonaten des Jahres 1785 sind schon bemerkenswert. JCFB fährt den "süddeutschen" Stil, der in den 1785-Sonaten vorherrscht doch sehr zurück und nähert sich wieder der "norddeutschen" Schreibweise. Bei Durchsicht der Subskribentenliste darf das nicht verwundern. Die Hauptabnehmer kamen aus dem Norden, vor allem der Kreis um die Familien Leyy/Itzig aus Berlin. Bei denen war das "Gemozarte" noch nicht angesagt. Vor allem macht sich dies in den langsamen Sätzen bemerkbar. Claviertechnisch gesehen sind diese Sonaten zu beherrschen und bereiten den Spielern große Freude.

Als letzte erhaltene Sonate JCF Bachs ist ein Werk in D anzusehen, um 1790 komponiert. Begegnet uns hier wiederum ein "orchestraler" erster Satz und ein typisch norddeutsches Larghetto, so ist das finale Allegro moderato von besonderer Qualität. Hier gelingt JCF Bach eine erstaunliche Synthese: schon "beethovenscher" Klavierstil und Expression einerseits,

andrerseits wird offensichtlich die Fuge in G aus WTC I und das Präludium in D aus WTC II des Vaters zum Vorbild genommen, und zwar so, dass es anfangs gar nicht auffällt, so gut ist es in den Ablauf integriert. Diese Sonate zeigt deutlich, dass der Bückeburger Bach großartige Werke schreiben konnte. Sie ist technisch gesehen nicht so leicht zu beherrschen, die Mühe lohnt sich allemal.

JCF Bach hat eine Anzahl von kleineren Klavierstücken hinterlassen, das meiste ist in den "Musikalischen Nebenstunden" von 1788 veröffentlicht. Hier finden wir Menuette, Solfeggi, Allegri usw. Einiges dürfte für Schüler geschrieben worden sein, wobei das Vorbild der zweistimmigen Inventionen des Vaters manchmal deutlich hervor tritt.

Seine Variationen über "Ah vous, dirai-je Maman" oder "Morgen kommt der Weihnachtsmann" mag spielen wer Lust dazu hat. Auch hat JCF Bach eine Fughette über HCF Bach - Hans Christoph Friedrich Bach - hinterlassen; sie wirft einen nicht vom Stuhl.

Resümee

Johann Christoph komponiert im Stil seiner Zeit, hin und hergerissen zwischen den Werken seines Vaters, des Bruders Carl Philipp und der Süddeutschen. Er befand sich folglich in einer schwierigen Situation, die nur von einem Genie hätte gemeistert werden können. Dieses war er nicht. Seine Werke schwanken zwischen Empfindsamkeit für "weich erschaffene Seelen", norddeutscher Härte, süddeutscher Melodik aber auch deren Floskeln. Diese Tatsache wirkt manchmal auf den heutigen Spieler oder Hörer ermüdend. Trotzdem: Etliche seiner Werke sind wahre Meisterstücke und lohnen eine intensive Beschäftigung.