Die Schüler Johann Sebastian Bachs

Johann Abraham Peter Schulz

Literatur: Christian Flor, JAP Schulz, Texte und Dokumente zur Musikgeschichte Lüneburgs; von Bockel Verlag

Geboren 1747 in Lüneburg als Sohn eines Bäckers. Seine Mutter entdeckte früh die musikalische Begabung des Kindes, welches mit acht Jahren in die Michaelisschule eintrat. Dort waren die musikalischen Glanzzeiten wie früher (auch JS Bach war dort Schüler) wohl vorbei, aber noch nicht erloschen. 1757 wechselte Schulz auf das Johanneum und verließ diese Schule 1764. Kantor an St. Johannis war der von Forkel als "überdurchschnittlich" gelobte Johann Georg Schumann, Organist hingegen Johann Christian Schmügel, ein herausragender Telemanschüler, der für Schulz große Bedeutung erlangte. Wichtig wurden die Musikalien in Schmügels Bibliothek: Werke von CPE Bach, der Gebrüder Graun, vor allem jedoch die Theoretiker Marpurg und Kirnberger. Schon mit 14 Jahren schrieb Schulz einen Brief an CPE Bach musikalische Fragen betreffend und erhielt Antwort.

Nicht verwunderlich, verließ Schulz 1765 Lüneburg und zog nach....Berlin. Auf Empfehlung von CPE Bach erhielt er Unterricht bei Kirnberger. Dieser unterrichtete wie er bei Bach gelernt. Kirnbergers theoretische Werke geben hierzu einen sehr guten Überblick. Offensichtlich war Kirnberger sehr zufrieden mir seinem Schüler Schulz. Dieser hat Kirnberger sein Leben lang in hoher Achtung gehabt. JAP Schulz starb 1800 in Schwedt/Oder.

Also, Enkelschüler von Telemann und JS Bach. An seinen Clavierwerken soll untersucht werden, wie sich das ausgewirkt hat.

Das Clavierwerk von JAP Schulz ist recht überschaubar:

op. 1  Six Diverses Pieces pour le Clavecin ou le Piano Forte (1776 bei Hummel in Berlin gedruckt)

Die "Six Diverses Pieces, op. 1" bestehen aus:

  • Prelude (a-moll)
  • Andante sostenuto (A-Dur)
  • Allegro maestoso (E-Dur)
  • Andante (G-Dur)
  • Allegretto (a-moll)
  • Larghetto con Variazioni (g-moll)

Das Prelude entpuppt sich als ein sehr "bachisch" geschriebenes Stück (Kirnberger wird seine Freude daran gehabt haben), "inventionsartig", 2-teilig, unter Anwendung meist 2-stimmiger Polyphonie, von sehr hoher Qualität.

Das "Andante Sostenuto" ist kurz, und bewegt sich in ruhigeren Bahnen, auch harmonisch, eine kleinere norddeutsche Piece. Hingegen ist das "Allegro Maestoso" nur streckenweise sehr majestätisch. Zwischendurch spielt Schulz mit Harmonien, grüblerischen Wendungen. Hat der Titel etwas von dem "Telemann´schen Humor"?

Im "Andante" führt uns Schulz nach Süddeutschland, melodisch, und leider auch mit endlosen "Albertibässen".

Den Höhepunkt der Piecen bilden das Allegretto und das Larghetto con Variazioni. Das Allegretto ist Norddeutschland pur, melodisch und harmonisch ausgereift.

Erstaunlich und erfreulich ist die Tatsache, dass die Norddeutschen Claviervariationen ernster genommen haben als ihre süddeutschen Kollegen. Bei Letzteren sind die Themen meist einfache Liedchen oder Menuettchen in Dur. Danach folgt rechts schneller, links schneller, Triolen oben, Triolen unten, ein "Minore", ggfls. ein Adagio, zum Beschluss eine "lustige", Applaus heischende Variation, das typische Zugabestück nach einem Clavierkonzert. Schulz´Thema steht schon in Moll, ist gleich polyphon angereichert. Die erste Variation löst das Thema in eine gesangliche Form auf, während die zweite Variation vor Dramatik platzt. Technisch nicht einfach zu spielen, verliert jedoch der Spieler nie die Lust diese zu üben. Die dritte Variation, ein "Un poco piu lento" ist sehr nachdenklich. Irgendwann hatte Schulz keine Lust mehr Taktstriche zu ziehen, und lässt diese Variation in Form einer "freien Fantasie" enden (schon Müthel hat gezeigt, wie das geht). Den Beschluss bildet ein Presto, technisch heikel und mit Sicherheit kein "lustiger" Ausklang.

 

op. 2  Sonata per il Clavicembalo Solo (Es-Dur), (1778 bei Hummel in Berlin gedruckt)

Wer je angenommen haben sollte im 1. Satz (Allegro, Allabreve) einen typisch norddeutschen Eröffnungssatz im Stil CPE Bach´s vorgesetzt zu bekommen, irrt sich gewaltig. Dieser Satz kommt martialisch einher, vollgriffig, mit viel Laufwerk, geschüttelten Akkorden, harmonisch sehr stabil, wie der Beginn eines Clavierkonzertes (und davon der Clavierauszug). Nach 68 Takten (Doppelstrich) hat der Spieler den Eindruck, dass nun das Solo einsetzt wird, aber weit gefehlt, es folgt die (überlange) Durchführung. Diese ist jedoch so gehalten wie die Exposition, sehr angereichert mit pianistischen Nickeligkeiten wie z.B. viele Takte mit überschlagenden Händen. Während der 1. Teil der Durchführung von B-Dur nach c-moll moduliert, unternimmt der 2. Teil dies von c-moll nach Es-Dur womit dann die Reprise einsetzt. Es ist also ein langer Satz, der den Spieler mit viel "Satisfaktion" erfüllt. Ein kritischer Hörer wird wahrscheinlich sich doch hier und da einmal räuspern.

Im Gegensatz dazu steht der 2. Satz, ein Adagio in c-moll. Hier zeigt uns Schulz, was er alles gelernt hat und kann. Harmonisch sehr angereichert, sprechende Pausen, taktfreie Stellen, "a Capriccio" bezeichnet, dynamisch sehr abwechslungsreich, hoch verziert, also alles, was man sich unter "klassisch norddeutscher Musik" vorstellt, ein genialer Mustersatz.

Der Schlusssatz, ein Vivace, ist kurz und knapp gehalten, jedoch von sehr hoher Qualität.

Im Archiv der Singakademie habe ich einen weiteren Sonatensatz (E-Dur) von JAP Schulz gefunden: SA 4472, wohl der Anfangssatz einer Sonate op.3. Ob es noch weitere Sätze dieser Sonate dort gibt muss noch erforscht werden.

Zusammenfassend, die wenigen Clavierwerke von JAP Schulz zeigen uns einen ausgemachten Clavierkomponisten, der sein Metier beherrschte. Seine Werke sind sehr anspruchsvoll, technisch wie für den Verstand. Über die kleinen, ab und zu auftretenden Schwächen kann getrost hinweg gespielt/gehört werden.