Die Schüler Johann Sebastian Bachs

JFG Beckmann

Auf diesen Komponisten stößt man rein zufällig. Mein "Zufall" war ein Notenkauf: "Solo pour le clavecin ou fortepiano" von Johann Friedrich Gottlieb Beckmann (1737 - 1792), in Celle geboren und gestorben, also niedersächsisches Lokalkolorit. Er war Organist an der schönen Celler Hauptkirche und leitete das städtische Orchester. Nur, die großen Zeiten Celles (als Residenzstadt) waren seit 1705 vorbei, was sollte man da noch erwarten?

Also, man spielt die Noten durch, stellt fest, dass die Musik nicht schlecht ist, aber auch nicht herausragend, und legt das Heft wieder beiseite.

Der zweite "Zufall" war das Durchlesen der CPEB`schen Subskribentenlisten. Sehr schnell stellt man fest, dass Beckmann zum festen Verteilerring der gedruckten Werke von CPEB gehörte.

  • 6 Flügelkonzerte (1773)
  • Cramers Psalmen (1774)
  • Claviersonaten, mit Begleitung einer Violine und einem Violoncello (1776)
  • "Heilig" (1778)
  • Sturms geistliche Gesänge (1780)

War Beckmann Musikalienhändler dieser Region? Schätzte er besonders die Musik CPEB´s?

Beckmanns erstes erhaltenes Werk ist die Operette "Lukas und Hannchen, Textverfasser war Johann Joachim Eschenburg aus Braunschweig, wo auch dieses Werk 1768 gedruckt wurde. Danach erschienen im Druck (1769/1770) seine "Mecklenburgischen Sonaten für das Clavier".. Das Vorwort für diese sechs Sonaten lautet: "Ich habe mich bemüht, gegenwärtige drey Sonatenso einzurichten, daß dieselben für mehr als eine Art von Liebhabern brauchbar seyn mögen. Sollte dieser Versuch das Glück haben, bey KENNERN und LIEBHABERN der Musik einigen Beyfall zu finden; so würde ich dadurch aufgemuntert werden, nicht allein dieses Werk, wovon der zweyte Theil nächstens herauskommen wird, fortzusetzen, sondern auch dem geneigten Publico mit noch anderen Sachen aufzuwarten".

Offensichtlich wurde Beckmann kräftig "aufgemuntert". Jedoch drängt sich die Frage auf: hat CPEB dieses Werk gekannt? Hat er die Formulierung "bey Kennern und Liebhabern" als Anregung aufgenommen, seine ab 1779 ff erscheinenden Clavierwerke für "Kenner und Liebhaber" so zu benennen? Wir wissen es nicht, aber der Verdacht liegt nahe. Celle und Hamburg liegen nicht so weit voneinander entfernt.

Wie dem auch sei, Beckmanns erhaltene Clavierkompositionen sind folgende:

  • 6 Sonaten für das Clavier, 1772 gedruckt (g-moll, A-Dur, D-Dur, C-Dur, G-Dur, B-Dur)
  • 3 Concerts pour le clavecin, 1779, (F-Dur, B-Dur, D-Dur)
  • 3 Concerts pour le clavecin ou le fortepiano, 1780, (G-Dur, c-moll, D-Dur)
  • 6 Sonates pour le clavecin ou le fortepiano, une flute/violon et violoncelle, 178?, (D,B, G,Es,C,A-Dur)
  • Solo pour le clavecin ou fortepiano, ????, B-Dur

Diese Angaben wurden dem hervorragenden Buch von Harald Müller: "Beckmann, Leben und Werk, Zur Celler Kulturgeschichte im 18. Jhdt." entnommen. Die sieben Soloclaviernoten liegen mir nun vor. Sie bieten einige Überraschungen: die erwartete Dreisätzigkeit der Sonate ist nur in drei Sonaten zu finden, die anderen haben vier oder mehr Sätze. Gleiches gilt für die Satzabfolge "schnell - langsam - schnell". Erstaunlicher sind jedoch die unterschiedlichen Stilvarianten. Die erste Sonate, g-moll, ist völlig im "klassischen" norddeutsch-berlner Stil geschrieben, 3-sätzig, ein-thematisch in den Sätzen, geschrieben (übrigens ein vorzügliches Werk). Hier der Beginn des 1. Satzes, Allegro moderato:

Doch schon in der zweiten Sonate, A-Dur, fühlt man sich unwillkürlich nach Süddeutschland versetzt, ggfls. auch nach London zu JC Bach. Der dritte Satz, "Rondeau" führt jedoch nach Frankreich. Zum Abschluss werden zwei Menuette gebracht, die Suite lässt grüßen. Diese unterschiedlichen Stile werden nunmehr in den Sonaten 2 - 5 gebracht. Hierzu ein Beispiel aus der 5. Sonate, 1 Satz, Allegro:

 

Etwas Polyphonie, eine feurige Gigue, Albertibässe, ein Variationssatz (die überschlagenden Hände fehlen nicht), Kenner können sich an "Canone ad infinitum" erfreuen. Die sechste Sonate, B- Dur, ist wiederum ein Sonderfall. Schon der erste Satz ist streng 3-stimmig notiert  und einteilig. Er hinterlässt den Eindruck eines Präludiums. Ach der zweite Satz, Grave, ist so verfasst. Er steht in Es-Dur (ob Mozart diese Sonate gekannt hat, siehe langsamer Satz aus der Sinfonie KV 550?).  Es folgt ein "Tempo di Minuetto" als....canone infinito, um dann diese Sonatensammlung mit einer "Fuga-Allegro" zu beenden. Typische Fugenkritiker sollten berücksichtigen, dass dieser Satz den Abschluss einer Sonatensammlung bildet und kein Fugenlehrwerk sein soll. Kenner und Spieler wollen eben auch ihr Vergnügen haben.